Quantcast
Channel: Herzfutter | Food-Blog
Viewing all articles
Browse latest Browse all 264

Auf den Spuren von Tomaten, Paprika und Mikrogemüse

$
0
0
Vielleicht erinnert ihr euch, bereits vor ungefähr einem Jahr habe ich über den Tomatenanbau in Deutschland berichtet. Natürlich habe ich mich bereits dort gefragt, werden Tomaten so auch in anderen Ländern angebaut? Jetzt hatte ich endlich Gelegenheit dieser Frage auf den Grund zu gehen und darüber hinaus in den Anbau von Paprika, Schädlingsbekämpfung und in die beeindruckende Welt von Mikrogemüse einzutauchen. Vier wirklich große und spannende Welten, mit denen ich jeweils einen Blogbeitrag füllen könnte. Da ich euch aber nicht mit zu vielen Informationen langweilen wollte, gibt es heute einfach nur einen Überblick und wenn dann noch Interesse besteht, beantworte ich gerne jede Frage oder schreibe doch noch einen weiteren Beitrag über ein gewünschtes Thema.


Lasst uns also starten. Und zwar sehr früh am Morgen in Berlin. 
Der Anlass? Durch die EHEC-Krise ist das Vertrauen in die Qualität von Gemüse und somit der Gemüsekonsum stark gesunken. Der Preis für Gemüse war so niedrig wie noch nie, natürlich auch bedingt durch den Preisdruck des Handels und der Discounter, und so mussten viele Anbauer ihre Betriebe in Europa schließen. Bis heute sinkt der Gemüsekonsum in Deutschland. Also hat die EU die Äufklärungskampagne "Sicher ist lecker" ins Leben gerufen und informiert seit 2012 über die Anbaumethode von Gemüse in Glasgewächshäusern. Da ich natürlich ein großer Fan von transparenten Informationen und Weiterbildung bin, kam ich der Einaldung gerne nach und so ging es also mit dem Flieger auf nach Amsterdam. Denn wo kennt man sich besser mit Tomaten aus, als in den Niederlanden? Auf eine über 400-jährige Tradition im Glasgewächsanbau können unsere lieben Nachbarn zurückblicken. Sie sind der führende Obst- und Gemüseexporteur der Welt.



Vom Flughafen Amsterdam ging es direkt in die "Tomatoworld" - das Informationszentrum für Tomatenanbau. Um es kurz zu machen: Ja, auch hier in den Niederlanden werden Tomaten so angebaut wie in dem besichtigten Betrieb in Deutschland. Sprich, es werden Nützlinge zur Schädlingsbekämpfung und Hummeln zur Bestäubung eingesetzt. Nützlinge sind kleine Insekten, die eingesetzt werden, damit sie die Schädlinge töten - zum Beispiel setzt man Schlupfwespen gegen die "Weiße Fliege" ein, da sie ihre Eier in die Larven der weißen Fliege setzen und diese so sterben.


Bewässert wird ein Substrat - Kokosfasern oder Steinwolle - in dem die Pflanzen wachsen per Tröpfchenbewässerung. Das Wasser besteht zum großen Teil aus gereinigtem Regenwasser, welches in großen Becken aufgefangen wird. Sie wachsen in einem sicheren und geschlossenem System: dem Gewächshaus. Würden die Pflanzen in der Erde wachsen, wären die Tomaten Bio-Tomaten. Allerdings hat das Wachsen in der Erde unter anderem den Nachteil, dass der Anbau schwerer kontrollierbar ist. Wenn die Erde zum Beispiel einmal mit einer Krankheit befallen ist, werden sofort alle Pflanzen krank. Beim Substrat sind nur wenige Pflanzen betroffen und das Substrat enthält außerdem keine Schimmelpilze und kann recycelt werden. Auch hier wachsen die Tomaten bis zur vollen Reife an der Pflanze, werden per Hand geernet und kommen erst reif und aromatisch in die Supermärkte.
Ich hatte ehrlich gesagt das Vorurteil, dass die Tomaten aus den Niederlanden einfach nur schnittfestes Wasser ohne Geschmack sind, aber nein, auch diese Tomaten schmecken richtig gut! Denn was müssen Foodblogger sofort machen? Okay vom Fotografieren und Twittern einmal abgesehen - sie müssen alles probieren!


Nur ein satter Foodblogger ist ein glücklicher Foodblogger. Ganz alte Weisheit. Wie passend, dass ganz zufällig ein paar Kisten voll gestopft mit Tomaten vor uns standen. Aber nicht nur eine Sorte Tomaten, nein das waren dann doch ein paar Sorten mehr. Wusstet ihr, dass es über 2500 Sorten Tomaten in den unterschiedlichstens Formen und Farben gibt? Jede Sorte schmeckt anders, es gibt also gar nicht "DEN" Tomatengeschmack. Auch gerade grüne und gelbe Sorten haben ihre Reize. Nicht nur eine rote Tomate ist eine gute Tomate. Es ist wirklich unglaublich schade, dass wir nur so wenige Sorte kennen. Wir sollten wirklich öfters in unserem Supermarkt andere Sorten verlangen. Schließlich haben wir die Macht, das Angebot zu beeinflussen.



Noch zwei Tipps zum Kauf von Tomaten - Tomaten, Gurken und Paprika niemals im Kühlschrank lagern, sondern bei 12-18°C, so behalten sie ihr Aroma besser. Die Rispe auch nicht sofort entfernen, denn dadurch reift die Tomate noch nach und zieht Feuchtigkeit aus der Umgebung, bleibt also länger frisch.
Durch die lange Tradition im Gemüsenabau ist es übrigens keine Seltenheit, dass ein Betrieb schon seit Jahren in Familienhand ist und immer an die nächste Generation übergeben wird. Die Niederländer sind wirklich mit viel Passion dabei. In genau so einen Familiebetrieb ging es nun um den Paprika beim Wachsen zuzuschauen. Ein Meer aus Paprika vor unseren Augen. Unfassbar! Wusstet ihr, dass Paprika mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte hat? Generell ein wirklich sehr gesundes und unterschätzes Gemüse! Im besagten Betrieb werden nur rote Paprika angebaut, aber da grüne Paprika einfach nur unreife Paprika sind, gibt es also zwei Sorten Paprika. Gelbe oder orangene Paprika bauen dann wiederum andere Betriebe an. Aber abgesehen vom Gemüse, unterscheidet sich die Anbaumethode nicht besonders von Tomaten.



Kommen wir nun aber zum Spannendsten Teil des Berichtest, denn am meisten beeindruckt hat mich die Welt des Unternehmens "Koppert Kress". Hier wird Mikrogemüse, also Kressepflanzen, Kräuter, Blüten und Sprösslinge angepflanzt und vor allem an die Gastronomie verkauft. Ein Blick in die Gewächshäuser und wir waren sprachlos. Unendliche Weiten von kleinen Pflänzchen in allen Farben. Auch diese Pflanzen werden nicht gespritzt, sondern mit Nützlingen bekämpft und auch diese Pflanzen sind nicht komplett Bio, da sie nicht in Erde wachsen, sondern in Cellulose. Allein deswegen, weil in der professionellen Gastronomie Erde und Dreck nicht zu den Lieblingsdingen der Köche zählt.
Ich war überrascht was für riesige Geschmacksexplosionen in diesem Mikrogemüse steckt. Mit Explosionen meine ich auch wirklich Explosionen. Manche dieser kleinen Pflänzchen breiteten ihren Geschmack wie ein Feuer im Mund aus. Unfassbar. Wir probierten uns durch das halbe Sortiment. Salzig, saftig, fruchtig, kräuterig, knackig, sauer, süß, scharf, bitter... einfach alle Geschmacksrichtungen.


Affilla Cress schmeckt nach frischen Erbsen, Blue Ocean nach salziger Auster, Chilli Cress erinnert an scharfen Senf, Honny Cress schmeckt honigsüß, Yka Leaves säuerlich, Apple Blossom nach grünem Apfel und From Age Leaves erinnert sehr stark nach richtig altem Käse - um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber natürlich nascht man diese Pflanzen nicht nur so, sondern man kann damit kalte Getränke aufpeppen, oder mit heißem Wasser übergießen und natürlich werden mit diesen Schätzen vor allem Gerichte verfeinert. Von der Vorspeise bis zum Dessert! Köche können die Produkte direkt vor Ort in einer hauseigenen Küche testen und in genau dieser Küche bekamen wir ein exklusives Dinner serviert.



  1. Gang: Vegetarisches Vitello Tonnato mit Selleriescheiben, vegetarischer Thunfischmayonnaise und diverser Kressesorten
  2. Gang: Spargelsuppe mit Knoblauch und Vanille und dem besten Macaron meines Lebens, denn dieser war mit köstlicher Ziegenkäsecreme gefüllt
  3. Gang: Kleiner Burger mit Spargel, Kartoffeln, Hollandaise, Ei, Erbsensprossen und Trüffelpapier
  4. und abschließender Gang: Weiße Schokoladenkerze mit Mandelkerze, gefüllt mit Erdbeer- & weißem Mousse




Einfach nur wow. Unterstütz durch die Pflänzlein waren es wieder einmal kleine Geschmacksexplosionen. Wahre Meisterwerke und unglaublich lecker!
Ich möchte unbedingt mehr mit diesen kleinen Pfänzchen arbeiten und experimentieren. Rezepte dazu gibt es auch direkt auf der Unternehmensseite. Kräuter und Gewürze verwenden wir ja vermutlich alle routiniert, aber Sprossen, Kresse und Blüten? Bei mir auf jeden Fall bis auf die Standardkresse Fehlanzeige. Leider sind die Pflanzen wirklich nur schwer zu bekommen und dann auch noch recht teuer. Aber die Mühe ist es wirklich wert. Definitiv.

Am nächsten Tag wurde dann noch das wunderschöne Amsterdam etwas erkundet und zack waren zwei spannende Tage vorbei und es ging ab nach Hause.



Zusammenfassend kann ich sagen, ich bevorzuge nach wie vor regionales Obst und Gemüse und im besten Fall natürlich vom Bauern meines Vertrauens. Aber mein ursprüngliches Vorurteil, dass Gemüse und Obst aus den Niederlanden nicht schmeckt und unreif geerntet wird, kann ich definitv über Bord werfen. Gleichzeitig muss man auch nochmal sagen konventioneller Anbau ist natürlich nicht gleich schlecht. Es kommt immer auf den jeweiligen Betrieb an.


Ich weiß natürlich nicht, ob wir nur Vorzeigebetriebe besichtigt haben, oder doch wirklich alle genau so wie ich es beschrieben habe produzieren. Aber da die großen Handelsunternehmen wie REWE auf den Druck der Verbraucher reagieren und sehr strenge Qualitätskontrollen besonders in Bezug auf Pflanzenschutz an ihre Lieferanten stellen, bin ich guter Dinge und kaufe auch einmal gutgläubig Gemüse und Obst im Supermarkt. Zu "Koppert Cress" muss ich vermutlich gar nicht mehr viel sagen: Einfach großartig und inspirierend! Diese Sprossen sind eindeutig großartig und wirklich frei von EHEC und Co.! Wie war das? Sicher ist lecker!

Viewing all articles
Browse latest Browse all 264